Glorreiche Offensive

Eine glorreiche Offensive am Rande des Toteises

Ein Häuflein standhafter Unbeirrbarer hat sich versammelt, den Blick entschlossen gen Horizont, die Stirn in trotzigem Faltenwurf. Ihr Ziel: nichts Geringeres als die Umwälzung eines Weltbildes. Denn was da am Waldesrand so friedlich vor sich hin dämmert – ein kleiner See, wie viele hierzulande – soll nach Meinung der Verwegenen kein beschauliches Erbe der letzten Eiszeit sein. Nein! Sondern der rauchende Revolver einer kosmischen Katastrophe!

Mit mutiger Entschlossenheit stemmen sich die Impakt-Theoretiker dem kalten Wind der etablierten Lehrmeinung entgegen. Bewaffnet mit PowerPoint-Präsentationen, Infotafeln in Bodenhöhe und einem tapfer eingerichteten Mini-Museum, dessen Schaukasten im Zwielicht der Erkenntnis glänzt, rufen sie: Hier ist er, der Beweis! Der Komet war’s! – während die Geologen der amtlichen Sorte milde lächeln und murmeln: Toteisloch halt.

Doch die Fronten sind gezogen. Auf der einen Seite: Jahrhunderte der Sedimentkunde, Gletscherbewegungen und das tief verankerte Vertrauen in Moränen. Auf der anderen: Enthusiasmus, Außenseitergeist – und eine Welle kosmischer Energie, die irgendwo da draußen ihren Ursprung genommen haben soll, ehe sie, zielsicher wie eine göttliche Billardkugel, ausgerechnet dieses Loch traf.

In den Gräben der Diskussion tobt ein stiller Krieg: Der eine schüttet Bohrkerne aus, der andere legt Zeitungsartikel von 1973 auf den Tisch. Die einen sagen: Das ist Wissenschaft. Die anderen: Das ist Unterdrückung der Wahrheit!

Doch wehe dem, der zu schnell urteilt. Wer hat schon je die Wahrheit aus einem einzigen Blickwinkel erkannt? Wer weiß, ob nicht in jenem kleinen Museum mit seiner handgemalten Zeitleiste und dem leise flackernden Bildschirm eine Wahrheit schlummert, die erst in hundert Jahren auf dem Titelblatt von Nature stehen wird?

Bis dahin kämpfen sie weiter – die Verwegenen, die Kosmischen, die Kometengläubigen. Sie verteidigen ihre These gegen Spott, Ignoranz und Sachverständigengutachten. Ein Häuflein, ja. Aber ein Häuflein mit Feuer im Herzen. Und wer weiß – vielleicht liegt unter dem Schlamm des Sees tatsächlich mehr als nur Schmelzwasser.

Denn eines ist sicher: Toteis mag ruhen. Doch Ideen – Ideen brennen.

Kulturraum Tüttensee