Maria von Ägypten, oft Maria Aegyptiaca genannt, war eine legendäre Askhetin und Bußheilige der Spätantike, stark verehrt insbesondere in der ostkirchlichen Tradition – als Wüstenmutter und Patronin der Busse. Ihre Lebensgeschichte wurde im 7. Jahrhundert von Sophronius, dem Patriarchen von Jerusalem, niedergeschrieben.
Kurzbiografie (legendarisch):
- Geboren etwa um 344 n. Chr. in der Provinz Ägypten.
- Mit zwölf Jahren floh sie nach Alexandria und führte dort ca. siebzehn Jahre ein ausschweifendes Leben – ohne Geld, aber angetrieben von einer unbändigen Leidenschaft; sie lebte vom Betteln und Spinnen.
- Bekehrung: Als sie nach Jerusalem pilgerte, um das Kreuz zu sehen, wurde sie aufgrund ihrer Sünden von der Kirche abgewiesen. Vor einer Ikone der Gottesmutter bat sie um Vergebung. Danach konnte sie das Heiligtum betreten. Eine Stimme wies sie an, den Jordan zu überqueren – so begann ihr neues Leben als Einsiedlerin im Wüstensand.
- Späterer Lebensabend: Ein Mönch namens Zosimas begegnete ihr in der Wüste. Sie bat ihn um Eucharistie und erzählte ihm ihr Leben. Nach ihrer Vision und Aufnahme der heiligen Kommunion verstarb sie – übernatürlich dorthin gebracht, wo Zosimas sie fand. Ein Löwe half beim Begräbnis.
Tod: Überliefert wird ihr Tod etwa um 421 n. Chr., manche Quellen nennen aber auch das Jahr 421 oder später.
Die Geschichte der Maria von Ägypten
Man erzählt, dass Maria in Alexandria geboren wurde – in jener Stadt, in der sich alles mischte: griechische Eleganz, ägyptische Sinnlichkeit, Handelsschiffe, Philosophen, Händler, Söldner. Und mittendrin ein Mädchen, das sich früh von zuhause losriss. Zwölf Jahre alt soll sie gewesen sein, als sie Alexandria für sich entdeckte – nicht als Stadt der Weisheit, sondern als Stadt der Lust.
Siebzehn Jahre lang lebte Maria dort, so heißt es, in hemmungsloser Ausschweifung. Sie nahm kein Geld für ihre Dienste, nicht weil sie keusch gewesen wäre, sondern weil sie den Rausch liebte, das Spiel, die Macht, das Fallen und Wiederaufstehen. Sie war schön, ungebunden, und sie kannte keine Scham.
Dann – so die Legende – vernahm sie von einer Pilgerfahrt nach Jerusalem, wo man das Kreuz verehren könne. Maria, getrieben von Abenteuerlust, schlich sich auf ein Schiff und mischte sich unter die Pilger. Aber als sie die Grabeskirche betreten wollte, blieb sie wie an einer unsichtbaren Schwelle stehen: eine Kraft stieß sie zurück. Erst draußen, vor einer Ikone der Gottesmutter, brach ihre bisherige Welt zusammen. Sie betete – zum ersten Mal – und versprach ein anderes Leben.
Und wirklich: Als sie noch einmal an die Tür trat, öffnete sich die Kirche. Maria trat hinein, küsste das Kreuz, und hörte eine Stimme in sich: „Wenn du den Jordan überschreitest, wirst du Ruhe finden.“
So zog sie in die Wüste. Jahrzehnte verbrachte sie dort, nackt, abgemagert, gezeichnet von Sonne und Staub, kämpfend gegen Hunger und die eigenen Erinnerungen. Was früher Rausch war, wurde jetzt Durst – nach Gott. Und sie wurde zur Legende: die Sünderin, die zur größten Büßerin wurde.
Am Ende ihres Lebens begegnete ihr der Mönch Zosimas. Er hörte ihre Geschichte, brachte ihr die Kommunion. Ein Jahr später fand er sie tot, im Sand ausgestreckt, und ein Löwe half, das Grab zu schaufeln. So endet die Vita – mit einer Heiligen, die aus dem Abgrund zur Strahlkraft gelangte.
Nachhall
Für die Kirche war Maria Aegyptiaca ein warnendes und zugleich tröstendes Exempel: keine Sünde zu groß, keine Frau zu wild, dass sie nicht zur Büßerin gemacht werden könne. Sie wurde zur Projektionsfläche einer patriarchalen Ordnung, die einerseits Lust und Freiheit verdammte, andererseits ihre Bekehrung als Triumph feierte.
Und doch: Zwischen den Zeilen bleibt Maria eigensinnig. Ihre Geschichte klingt auch heute wie eine Provokation – dass eine Frau, die einmal „falsch“ gelebt hat, nicht ausgelöscht, sondern verwandelt wird. Und dass die Wüste ihr Reich wurde, nicht die engen Räume der Konvention.