Ich möcht euch jetz erzählen, was mir meine beiden Brüder über die Ressourcen gesagt habn.
I habs gefragt, den Hochfelln zuerst. Ich habn lang oogschaut – nicht nur mit den Augen, sondern mit Zeit. Und i hab ean zuaghört. Und der Hochfelln hat mir dann geantwortet:
Weisst, hat er g’sagt, woasst i bin Fels und Ich bin Kalk, hart geschichtet und alt. Ich war einmal der Boden eines Meeres. Voller Leben. Und dieses Leben hat sich in mir abgelagert, Schicht für Schicht als Kalksediment. Ich bestehe also aus vergangenem Leben. Und ich trag heutiges. Ich trage Menschen, ich trage Seilbahnen, ich trage Stahl und Strom und Pläne. Ich werde betrachtet, beklettert, berechnet. Ich bin sichtbar – und zugänglich sehr zugänglich.
Aber weißt du, was kaum einer sieht? Dass meine Ressourcen gar nicht das sind, was man aus mir rausnimmt. Sondern das, was ich bin. Nämlich meine Fläche. Meine Höhe im Raum. Meine Schwere. Meine Kühle im Schatten. Mein Wasser, das sich sammelt und rinnt. Meine Schneedecke. Meine Schmelze. Und auch meine Ausdehnung in der Zeit.
Ich bin weder Schatzkammer oder Lagerstätte, noch Freizeitraum oder Naturschutzgebiet. Ich bin einfach. Und ich geb. Und ich halte Euch locker aus.
Und dann habe ich den Hochgern gefragt. Der hat a bissl länger gebraucht mit seiner Antwort. Vielleicht weil er weiter hinten steht, vielleicht auch, weil er ned so schnell und laut antworten muss wie der Hochfelln, ich weiss es nicht. Aber er hat sie mir gegeben, seine Antwort.
Ich bin weicher, hat er gsagt, der Hochgern. Nicht im Stein bin ich weicher als mein Bruder, da sind wir zwei sehr ähnlich, sondern im Wesen bin ich weicher. Ich spiel mich nicht so in den Vordergrund wie er. Meine Ressourcen sind Wiesen, Weiden, Wasserläufe. Ich trag kein Stahl auf mir, keine Maschine. Aber ich trage Geschichte. Almgeschichte, Fußspuren, Kuhpfade. Ich bin reich an Schwammerl, an Käfern, an Nestern. Ich geb euch Holz. Und Kräuter. Und Stille. Des hat mein Bruder auch alles, aber bei mir siehst du es vielleich ein bisserl deutlicher.
Aber auch ich merke das natürlich, wenn sich die Muster verschieben. Wenn die Tritte dichter werden und der Regen nicht mehr so versickert wie früher. Wenn die Moose sich zurückziehen, wenn die Starkregen sich häufen und der Schnee im Winter weniger wird.
Ich rechne halt nicht in Jahren. Ich spüre in Zyklen. Ich bin viel, viel älter als eure Karten, als eure klimatologischen Datenreihen. Und wisst ihr was? Ich bin nicht verletzt. Ihr könnt mich gar nicht verletzen. Ihr könnt Euch höchstens selbst verletzen. Aber ich verändere mich natürlich auch. Langsam und stetig, so wie ich es immer getan habe. Und wer genau hinschaut, der wird es auch sehen.
Ja, des waren also die Antworten meiner beiden Brüder im Süden, die sie in mir formuliert haben, wie ich sie gfragt hab‘.
Und du?
Was nimmst jetzt du wahr, wenn du an Ressourcen denkst? Was nimmst du – und was gibst du?
Schreib’s mal für dich auf. Oder teil’s mit uns im Buch der Stimmen.
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