Typus: Holzerpartie
Die Holzerpartie war eine eigenständige, historisch kaum beachtete Sozialform innerhalb der vormodernen bis frühindustriellen Forstwirtschaft. Sie bildete für viele Männer – wie den Keaberg-Hias – das eigentliche soziale Gefüge ihres Lebens. Nicht Familie, nicht Dorf, nicht Betrieb: Die Partie war ihr Alltag, ihr Maßstab, ihr Resonanzraum.
1. Zusammensetzung
Eine Partie bestand meist aus 3 bis 12 Männern. Sie wurde durch den Förster oder Partieführer zusammengestellt, nicht demokratisch, sondern funktional. Entscheidend war körperliche Tauglichkeit, Zuverlässigkeit und Eingespieltheit. Oft blieb ein Kernteam über viele Jahre stabil, während einzelne Plätze wechselten.
2. Ordnung und Hierarchie
Die Holzerpartie hatte keine schriftlichen Regeln, aber eine tief eingeübte, oft unausgesprochene Ordnung. Wer das Werkzeug nicht pflegte, wer trank oder lärmte, wurde gemieden oder ausgeschlossen. Führung entstand nicht durch Titel, sondern durch Anerkennung innerhalb der Gruppe – meist still, fast immer pragmatisch.
3. Funktion im Leben des Einzelnen
Für Männer wie den Hias war die Partie mehr als eine Arbeitsgruppe. Sie war die tägliche Konstante, das einzige verlässliche soziale Feld. Nähe entstand durch Rhythmus, durch das Teilen von Arbeit, Brot, Schlafplatz – nicht durch Sprache oder Gefühle.
4. Rituale und Alltagspraktiken
Die Partien lebten im Wald, in Hütten oder auf Triften. Der Alltag war geprägt von Schweigen, Arbeitsrhythmus, kleinen Zeichen gegenseitiger Anerkennung. Es gab eine robuste Form von Rücksicht, aber keine Intimität.
5. Unsichtbarkeit dieser Sozialform
Die Holzerpartie erscheint kaum in Archivalien, nur indirekt in Lohnlisten oder Revierberichten. Sie wurde nicht beschrieben, weil sie selbstverständlich war. Sie war funktional, nicht narrativ – und darum aus dem kollektiven Gedächtnis verschwunden.
6. Bedeutung für die Biografie des Hias
Die Partie war für den Hias das einzige soziale Kontinuum. Sie war prägender als Familie, dauerhafter als jede Beziehung. Sie war nicht ’sein Leben‘ – aber das Feld, in dem sein Leben stattfand.