Sonne und Mond: eine kleine Sprach- und Machtgeschichte

Caroline und ihr Chevalier im kosmischen Machtspiel

Majestät (als Sonne, lächelnd, fast überheblich):

„Mon cher, weißt du, in den alten Mythen des Nordens war die Sonne eine Dame – ich, natürlich. Sunna, strahlend, schöpferisch, die Lebensspenderin. Du, der Mond, warst Mani, kühl und männlich, Herr der Rhythmen, der Nachtwächter des Kalenders. Wir zwei, ein kosmisches Paar: ich schenkte Licht, du schenktest Ordnung.“

Chevalier (als Mond, mit gespielt gekränkter Würde):

„Majestät, ich erinnere mich. Aber dann kamen die Römer, und wie alle Eroberer konnten sie es nicht ertragen, wenn eine Frau im Mittelpunkt stand. Sie nahmen die Sonne, machten sie männlich – Sol, der Herrscher, der Kaiser am Himmel. Und Luna, die einstige Macht des Taktens, wurde zur zarten Begleiterin. Ein kultureller Putsch am Firmament, nicht?“

Majestät (spöttisch):

„Ach, mon cher, die Römer – sie hatten einen unstillbaren Appetit auf Hierarchien. Aus Harmonie machten sie Befehlsketten. Die Sonne musste herrschen, der Mond folgen. Und ihre Sprachen tragen diesen Stempel bis heute: le soleil, männlich, herrisch; la lune, weiblich, begleitend. Die Grammatik als kleine Kaiserkrone.“

Chevalier (nickt, beinahe ernst):

„Und die germanischen Sprachen? Sie haben das alte Wissen behalten: die Sonne, der Mond. Unsere Sprache erinnert sich also an das Gleichgewicht, das die Römer ausgelöscht haben. Ich gestehe, Majestät – das gibt mir Stolz, ein Hüter der Erinnerung zu sein.“

Majestät (mit einem feinen Funkeln im Blick):

„Stolz, mon cher, oder Eitelkeit? Denn was ist dein kaltes Leuchten ohne mein Feuer? Du spiegelst mich, aber du tust so, als hättest du selbst ein Glühen. Typisch für Männer, hm?“

Chevalier (empört, aber lachend):

„Majestät! Ich mag nur leihen, was Sie besitzen – aber ohne mich wäre Ihr Glanz unermüdlich, vielleicht erdrückend. Ich bin der Rhythmus, der Maßstab, die Ruhe zwischen Ihren Feuern. Glauben Sie, die Menschen könnten Ihre Herrlichkeit aushalten, ohne meine nächtlichen Pausen?“

Majestät (lehnt sich zurück, kokett):

„Vielleicht haben Sie recht. Doch seien wir ehrlich: die Menschen richten ihre Kalender nach Ihnen, aber ihre Gebete nach mir. Sie brauchen den Mond, um die Zeit zu zählen – doch sie brauchen die Sonne, um überhaupt zu leben. Und das, mein Chevalier, ist wahre Macht.“

Chevalier (leise, fast zärtlich):

„Dann lassen Sie uns sagen: Ich messe, Sie erleuchten. Ohne mein Maß verlöre Ihr Licht die Ordnung; ohne Ihr Licht wäre mein Maß sinnlos. Wir sind kein Gegensatz, Majestät, wir sind ein Paar.“

Majestät (lächelnd, mit einem leichten Seufzer):

„Ein Paar, ja – und doch streiten wir seit Jahrtausenden um die Rollen. Vielleicht ist das unser Geheimnis: das Spiel der Anziehung, der Widersprüche, des ewigen Knisterns. Sonne und Mond, Sprache und Macht – und irgendwo dazwischen die armen Menschen, die glauben, wir wären bloß Himmelskörper.“