Logbuch 1b: Aufräumen als Vorbereitung

Bevor du Ordnung in Zahlen bringst, musst du sie im Staub finden.

Ort: Innenräume, gereinigt
Zeit: 08:34 Uhr
Wetter: Hochnebel persistiert
Projektleitung: Joki
Begleitung: Ihre Majestät Königin Caroline von Bayern, sporadisch

Die Wohnung ist aufgeräumt. Nein, nicht nur „aufgeräumt“. Sie ist präliturgisch vorbereitet. Ein Zustand jenseits der Sauberkeit wie eine Kathedrale, kurz bevor die Finanzengel einziehen.

Ich habe nicht nur den Boden gewischt, nein, ich habe ihm seine Vergangenheit verziehen. Der Tisch ist leer. Keine Post, keine Ablenkung, nicht mal ein Brotkrümel, der als Fluchtmöglichkeit dienen könnte. Das Einzige, was jetzt noch unklar ist: der Sinn des Lebens und das Elster-Zertifikat.

Dieses Aufräumen ist kein banaler Vorgang. Es ist der letzte große Widerstand, getarnt als Ordnungsliebe. Wer behauptet, er räume „gerne“ auf, bevor er die Steuer macht, sollte genau beobachtet werden. Er befindet sich in Phase drei der ¹ Prokrastination: Ritualisierung mit sakralem Unterton.

Caroline hat sich übrigens nicht zu Wort gemeldet. Sie steht nur da. Regalgleich. Würdevoll. Wahrscheinlich mit einem leicht spöttischen Blick auf meinen akribisch gefalteten Putzlappen. Ich fühle mich wie ein kleiner Beamter in einem zu großen Moment. Vielleicht wird das alles nie passieren. Vielleicht bleibe ich einfach in dieser Endlosschleife zwischen Wischwasser und Weltflucht. Aber die Wohnung ist sauber. Und das ist verdächtig.

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¹ Prokrastination (lat. procrastinare: vertagen, auf morgen verschieben)
Die Kunst des Aufschiebens. Aber nicht das harmlose „Ich mach’s später“, sondern die tiefenpsychologische Disziplin, Dinge nicht zu tun, obwohl man weiß, dass man sie tun sollte. Es ist wie ein innerer Beamter, der jedes Mal, wenn du etwas Wichtiges beginnen willst, einen neuen Stempelantrag stellt in dreifacher Ausführung. Prokrastination ist keine Faulheit, sondern eine raffinierte Selbstsabotage mit dem Charme einer Steuererklärung. Man putzt den Kühlschrank, um keine E-Mails zu beantworten. Man schreibt Gedichte, statt Rechnungen zu sortieren. Oder man gründet ein fiktives Institut um nicht mit Elster zu sprechen.

Kurz gesagt: Prokrastination ist die edle Kunst, sich mit Stil vor dem Leben zu drücken. Oder wie wir im IfaZ sagen: „Zeitverschwendung mit Haltung.“