Bernhaupten, St. Jakobus, Christophorus, Seitenaltar

Figur des hl. Christophorus mit Christuskind auf der Schulter, St. Jakobus Bernhaupten

Christophorus in Bernhaupten

Am rechten Seitenaltar der Pfarrkirche St. Jakobus in Bernhaupten steht die Figur des heiligen Christophorus. Sie entstand Anfang des 16. Jahrhunderts und zeigt den volkstümlich beliebten Riesenheiligen in klassischer Weise. Nach Peter Bomhard stammt die Figur womöglich vom Seitenaltar in Alferting, St. Georg.

Darstellung des Riesenheiligen

Christophorus ist barfuß dargestellt, sein kräftiger Körper in einen gold-grün gefassten Mantel gehüllt. In der linken Hand stützt er sich auf einen mächtigen Stab, der wie ein ganzer Baumstamm wirkt. Auf seiner Schulter trägt er das Christuskind, das mit erhobener Hand die Segensgeste vollzieht. Der Heilige hebt den Blick nach links oben – eine subtile Darstellung des Augenblicks, in dem er die übermenschliche Last erkennt.

Künstlerische Gestaltung

Die Figur ist aus Holz geschnitzt und farbig gefasst. Goldene Partien lassen das Gewand leuchten, während das Grün und Blau Tiefe und Kontrast schaffen. Der Faltenwurf ist klar strukturiert und verleiht der Skulptur eine dynamische Bewegung, die Christophorus’ Gang durch den Fluss andeutet.

Symbolik und Bedeutung

Die Darstellung verweist auf die Legende: Christophorus, ein Riese, trug das Christuskind über einen Fluss, doch die Last wurde immer schwerer – bis er erkannte, dass er den Schöpfer der Welt auf seinen Schultern trug. Seit dem Mittelalter gilt Christophorus als mächtiger Schutzpatron gegen plötzlichen Tod und als Begleiter der Reisenden.

Christophorusverehrung im Chiemgau

Die Figur in Bernhaupten reiht sich in eine lange Tradition von Christophorusdarstellungen in Oberbayern ein. An Kirchenfassaden, Brücken oder in Fresken begegnet man ihm häufig. Die Skulptur im Chorraum von St. Jakobus verbindet diese volkstümliche Verehrung mit der liturgischen Gestaltung des Kirchenraums.

Künstlerische Analyse der Christophorus-Figur (Anfang 16. Jh.)

Stilistische Merkmale

  • Körperdarstellung: Christophorus ist kräftig und monumental geschnitzt, wie es der Legende vom Riesen entspricht. Die Füße sind groß und fest auf den Boden gesetzt – ein Symbol für Standhaftigkeit und Kraft.
  • Gewandung: Der Faltenwurf des Mantels ist stark stilisiert, mit langen, fließenden Bahnen, die den Körper in rhythmische Bewegungen gliedern. Gold und Grün unterstreichen den Wechsel von Licht und Schatten. Das ist typisch für die spätgotische Draperie, die nicht nur Kleidung darstellt, sondern auch eine symbolische Aura des Heiligen erzeugt.
  • Gesicht: Bart und Haar sind sorgfältig gearbeitet, mit feinen Locken, die eher noch der gotischen Tradition entsprechen. Der Ausdruck wirkt ernst, aber nicht streng, eher gesammelt und nach oben gewandt – die Hinwendung zum Christuskind betont den inneren Dialog zwischen dem Heiligen und Christus.
  • Christuskind: Auffallend klein im Verhältnis zur riesenhaften Gestalt Christophorus’, fast wie ein Miniaturwesen. Das Kind erhebt die Hand zum Segen und hält den Blick geradeaus. In dieser Kontrastierung liegt die theologische Aussage: Der Kleine ist der Größere, das Schwache trägt die ganze Welt.

Komposition und Wirkung

Die Figur folgt dem klassischen Christophorus-Schema: mächtiger Körper, schreitende Haltung, Stab in der Hand, Kind auf der Schulter.

  • Auffallend ist die Klarheit und Symmetrie der Komposition: kein übersteigerter Pathos, sondern eine ruhige, fast statuarische Würde.
  • Die Vergoldung gibt der Figur Glanz und sakrale Präsenz im Kirchenraum.
  • Die kräftige Farbigkeit (Gold, Grün, Rot) verbindet die Figur mit dem Licht und der liturgischen Atmosphäre am Altar.

Kunsthistorische Einordnung

  • Anfang 16. Jahrhundert im Chiemgau: Die Werkstätten orientierten sich stark an der spätgotischen Tradition Süddeutschlands, etwa an den Schnitzwerken der Regensburger und Salzburger Bildschnitzer.
  • Der Christophorus in Bernhaupten zeigt deutlich diese spätgotische Formensprache, aber zugleich eine Reduktion auf klare Linien, die schon auf die Renaissance hindeutet.
  • Im Vergleich zu überlebensgroßen Christophorus-Wandbildern, die oft an Kirchenfassaden angebracht wurden, wirkt die Skulptur intimer, für den Altarraum bestimmt, und verbindet den monumentalen Riesen mit einer gewissen Vertrautheit.

Bewertung

Die Christophorusfigur in Bernhaupten ist ein qualitativ bemerkenswertes Beispiel süddeutscher Schnitzkunst um 1500.

  • Sie vermittelt das Spannungsfeld zwischen der körperlichen Kraft des Heiligen und der geistigen Last, die er trägt.
  • Künstlerisch überzeugt die Figur durch den plastischen Faltenwurf, die harmonische Komposition und den Ausdruck ruhiger Würde.
  • Ihre liturgische Funktion ist klar: Als Schutzheiliger gegen den plötzlichen Tod und als Patron der Reisenden sollte Christophorus den Gläubigen direkt im Kirchenraum begegnen – nicht nur monumental an der Außenwand, sondern nahbar am Altar.