Bernhaupten, St. Jakobus, Sebastian

Sebastianfigur um 1500, spätgotisch, Filialkirche St. Jakobus Bernhaupten

Darstellung und Ort

Am rechten Chorpfeiler der Filialkirche St. Jakobus in Bernhaupten, über der Sakristei, befindet sich eine eindrucksvolle Sebastianfigur aus der Zeit um 1500. Sie zeigt den Heiligen in klassischer spätgotischer Form als jungen Mann, der an einen Baum gebunden und von Pfeilen durchbohrt ist.

Künstlerische Gestaltung

Die Holzfigur ist farbig gefasst und partiell vergoldet. Der schlanke Körper steht aufrecht, beinahe ruhig, obwohl er von Pfeilen übersät ist. Der idealisierte Jünglingskörper entspricht dem spätgotischen Schönheitsideal. Das Gesicht mit lockigem Haar zeigt keinen Schmerz, sondern eine stille Entrücktheit.

Das goldene Lendentuch ist sorgfältig gefaltet und hebt die Würde des Märtyrers hervor. Die Pfeile sind plastisch eingefügt und verteilen sich über den ganzen Körper – Ausdruck des Martyriums, das hier jedoch nicht schockierend, sondern verklärt ins Bild gesetzt wird.

Stilistische Einordnung

Die Figur gehört in die Spätgotik um 1500. Sie zeigt die für diese Zeit typische Balance von realistischer Körperdarstellung und geistiger Verklärung. Der leidende Körper wird nicht zum Ausdruck von Qual, sondern zum Sinnbild des standhaften Glaubens.

Bedeutung

Sebastian galt seit dem Mittelalter als einer der wichtigsten Pestheiligen. Die Pfeile seines Martyriums wurden als Bild für die todbringenden Seuchen verstanden. In der Figur von Bernhaupten wird diese Symbolik sichtbar: Der Heilige steht verwundet, aber unerschüttert – ein Hoffnungszeichen für die Gemeinde, die in Zeiten von Krankheit und Not seine Fürsprache suchte.

Kunsthistorische Beschreibung

Die Sebastianfigur in Bernhaupten gehört in die Spätgotik um 1500 und zeigt alle charakteristischen Merkmale dieser Epoche.

  • Darstellung: Der Heilige ist nahezu unbekleidet, nur ein golden gefasstes Lendentuch bedeckt seine Hüften. Er ist an einen Baumstamm gebunden, der seitlich hinter ihm hochragt. Zahlreiche Pfeile sind tief in seinen Körper getrieben und durchbrechen die glatte Oberfläche der Figur.
  • Körperhaltung: Der Körper steht aufrecht, in leichter Gegenbewegung, ohne dramatische Verrenkung. Trotz der Verletzungen bleibt die Haltung ruhig und statuarisch.
  • Gesicht: Das Gesicht ist von dichten Locken umrahmt, der Ausdruck entrückt und gefasst, beinahe weltfern. Schmerz oder Todesqual sind nicht das Thema – vielmehr die innere Standhaftigkeit.
  • Polychromie: Die Fassung ist zurückhaltend, auf Gold und Hauttöne konzentriert. Das Gold des Lendentuchs und der Nimbus setzen Akzente der Heiligkeit. Die Blutspuren sind deutlich markiert, aber nicht naturalistisch übersteigert.

Bewertung

Die Figur zeigt beispielhaft, wie die spätgotische Kunst den Märtyrer idealisiert:

  • Statt eines realistischen Bildes von Leid und Qual bietet sie das Bild des schönen Jünglings, der trotz Folter ungebrochen bleibt.
  • Diese Spannung zwischen Verletzlichkeit und Unerschütterlichkeit war für die Gläubigen um 1500 besonders bedeutsam: Sebastian wurde als Pestheiliger angerufen, die Pfeile galten als Sinnbild der Seuchen, die er überstand.
  • Im Vergleich zur expressiven Kunst der Spätgotik in Zentren wie Nürnberg oder Ulm wirkt die Bernhauptener Figur schlichter und bodenständiger, aber gerade dadurch auch volksnah und direkt ansprechend.
  • Sie verbindet monumentale Würde mit liturgischer Funktion: Im Chorraum, über der Sakristei, ist sie zugleich ein Mahnmal für Leid und ein Bild der Hoffnung.

👉 Fazit:

Die Sebastianfigur von Bernhaupten ist ein hochwertiges Beispiel ländlicher spätgotischer Schnitzkunst. Sie zeigt nicht das Leiden im Detail, sondern das Ideal des unerschütterlichen Märtyrers, der den Gläubigen Mut machen sollte. In ihrer klaren Formensprache, der zurückhaltenden Fassung und der ruhigen Haltung verbindet sich Kunst, Frömmigkeit und Schutzfunktion in eindrucksvoller Weise.