Profilbild mit Strohhut

Junge Frau mit lavendelfarbenem T-Shirt und blauem Haarstreifen hält ein Smartphone in der Hand und lächelt, im Hintergrund ein grüner Weg entlang eines ruhigen Gewässers.

Mira sinniert über ihr Profil

Es ist später Nachmittag, die Sonne hängt schräg über Traunstein und die Eisdiele hat schon geschlossen. Mira lehnt sich auf dem Heimweg an eine Mauer beim Stadtpark, die Hände um ihr Handy gelegt, das Display dunkel, die Tasche vom Eiskaffee noch über der Schulter. In der Luft liegt dieser warme, staubige Sommergeruch, den es nur in Kleinstädten gibt.

Neben ihr sitzen zwei Mädchen aus der Parallelklasse, scrollen durch irgendwas, kichern, halten sich gegenseitig das Handy hin. „Hast du ihr neues Profil gesehen? Voll die Ästhetik!“ – „Ich hab mein Feed jetzt komplett neu gemacht, alles so beige mit Pflanzen.“

Mira hört das, ohne hinzuhören. Zieht ihr Handy aus der Tasche. Schaut drauf, dann wieder weg. Kein Instagram, kein TikTok, nicht mal eine App, die „Story“ sagen will. Nur das, was drauf ist: ein Foto vom See. Ein Bild vom Strohhut, auf einem Stein. Ein verschwommener Pilz mit einer Kappe wie ein altes Sofa. Sie stellt sich vor: Wenn ich ein Profil hätte… was würd ich da überhaupt schreiben?

Name: Mira.
Profilbild: Strohhut, schief.
Bio: „Verliert regelmäßig Dinge. Findet dafür andere.“
Beruf: Noch unklar. Momentan: Eisschauflerin mit Pilz-Diplom.
Ort: Traunstein, meist zwischen See und Stadt.
Interessen: Pilze benennen. Nicht lügen. Luft riechen vor dem Regen.

Sie grinst. „Folgt 37 Pilzen. Wird von drei Eichhörnchen beobachtet.“ Und dann fragt sie sich, wozu das gut sein soll. Dass andere wissen, wer sie ist? Oder wer sie sein will? Oder einfach nur, dass sie da ist?

Sie schaut wieder aufs Display. Es spiegelt ihr Gesicht. Ohne Filter. Mit Sonnenkrempe. Und denkt: Ich hab doch schon ein Profil. Nur halt in echt.

In dem Moment fährt ein kleiner Wind durch den Park, bläst ihr ein Stück Papier vor die Füße. Sie hebt es auf. Rückseite leer. Vorderseite: eine zerknickte Werbung für Internet irgendwas. Sie faltet sie ordentlich zusammen und legt sie auf die Bank. Dann steckt sie das Handy ein, zieht die Tasche fester und geht los. Die Straße runter, den Schatten entlang.

Kein Profilbild. Aber ein ziemlich klares Bild von sich.