„Ich war nur Farbe im Kalk. Ein Tag Arbeit, ein nasser Putz, ein fremder Mann mit müden Augen. Er rührte Rot aus Erde, Schwarz aus Ruß, legte mich an die Wand. Er sang nicht, er fluchte leise. Dann ging er. Ich blieb.
Jahrhunderte Regen, Wind, Frost. Stück für Stück fiel ich ab. Wangen weg, Haare weg, nur Kreis blieb, groß und leer. Und doch – ich seh euch. Ihr geht, ihr kommt. Immer dieselbe Tür, dieselben Schritte.
Drinnen übermalt, draußen vergessen. Ich stand im Regen. Kein Weihrauch, nur Tropfen. Kein Kerzenlicht, nur Donner. Aber ich hielt stand.
1969 kam ein Kratzen. Licht, Stimmen: ‚Da ist sie noch!‘ Ich atmete wieder. Aber ich war immer da.
Ihr fragt: Wer bin ich? Maria? Heilige? Tugend? Ich lache. Namen sind Staub. Ich bin Gesicht im Kreis. Mehr nicht. Weniger auch nicht.
Also tretet ein, wenn ihr müsst. Lacht, wenn ihr wollt. Flucht, wenn ihr müsst. Ich schau euch an. Seit achthundert Jahren. Ich kann warten.“