🪑 „Vom Sitzen zum Sehen – oder: Wie Angelique sechs Stühle rettete und Bettina sie zum Leuchten brachte.“
Man sagt, es begann an einem frühen Nachmittag im späten Sommer, als ein Sonnenstrahl schräg durchs Fenster der Gaststube im Forsthaus Adlgaß fiel, direkt auf eine Reihe alter Biergartenstühle, die da an der Wand lehnten wie Veteranen eines längst vergangenen Volksfestes.
Die Stühle waren müde. Nicht vom Stehen, sondern vom Sitzenlassen. Jahrzehntelang hatten sie halbe Hendl, ganze Maßkrüge, große Familien, kleine Liebesgeschichten und viele, viele Ärsche getragen. Ihre Lehnen kannten den Klang des Witzes, das Gewicht der Müdigkeit, das Rucken eines plötzlich entschlossenen Aufstehens.
Doch nun war Schluss. Eine neue Lieferung kam – mit Edelstahlgestell, synthetischer Eleganz und ergonomischer Anmaßung. Die alten Stühle, grün und grimmig, wurden zur Seite gestellt, „ausgemustert“, sagte man, „verbraucht“ oder „veraltet“.
Da kam Angelique. Verwandt mit dem Forsthaus, verschwägert mit dem Sommer und im Herzen verbunden mit allem was irgendwie Patina hat. Sie sah die Stühle und sie nahm sie mit.
Und dann – wie durch einen Riss im Alltagsgewebe – traten sie ein in ein neues Kapitel ihres Daseins: Im Atelier der kesslfligga, irgendwo zwischen Idee und Farbe, wartete Bettina. Mit Handschuhen, Schleifpapier, Grundierung und einem Plan.
Sie schliff, sie reinigte, sie grundierte und als sie sie am letzten Tag in reinweißes, mattes Licht tauchte, flüsterten die Stühle leise: „Wir sind bereit für neue Ärsche.“
Jetzt stehen sie da. Sechs an der Zahl, weiß wie das unbeschriebene Blatt Papier, jeder mit einer Glasperle, einem QR-Code, einer Geschichte.