Hemma 1.2.: Hemma stellt sich vor 

Seid gegrüßet, ihr Menschen von heute.

Ich bin Hemma – Hemma von Laufen. Kein Name von Gewicht in den Chroniken, kein Wappen im Stein. Nur die Tochter eines Ministerialen, eines Dienstmannes an der Salzach, der den Herren von Salzburg diente – bald mit dem Schwert, bald mit der Feder.

Mein Vater war ein getreuer Mann. Er konnte eine Brücke bewachen, einen Weg sichern, und am Abend schrieb er mit sicherer Hand die Abgaben ins Register. Zwischen Burg und Dorf stand er, nicht Fürst, nicht Bauer, irgendwo dazwischen – und dort, so sage ich, lebte er nicht den erforderlichen Sinn für die jeweilige Situation.

In dieser Welt wuchs ich auf. Laufen war kein stilles Nest. Die Salzach rauschte, Händler schrien ihre Preise, Fässer polterten über das Pflaster, Schiffer brüllten nach Seilen, und Pilger beteten hastig, ehe sie die Brücke überquerten. So lernte ich, die Ohren offen zu halten – und glaubt mir, mancher redet lauter, als ihm gutsteht.

Von meinem Vater aber lernte ich das Wichtige: die Zügel fest in der Hand – und die Feder ebenso. Er sprach: ‚Kind, wer schreiben kann, hat mehr Macht als mancher mit dem Schwert.‘ Und so war ich eine von wenigen Frauen, die Worte aufs Pergament setzen konnten. Das war mein Schatz, unscheinbar, aber wertvoll.

Und eben darum kam ich dem Erzbischof Konrad nah. Ich hörte nicht nur seine Worte – ich schrieb sie nieder. Manches, was er diktierte, floss durch meine Hand, und ich dachte mir dabei: ‚Konrad, deine Tinte ist manchmal schwerer als Eisen.‘

Wie ich ihm zuerst begegnete? Ganz unscheinbar. Ich begleitete meinen Vater nach Salzburg, ohne Glanz, ohne Feier. Am Rand einer Versammlung stand er und plötzlich sah ich ihn: Konrad. Hoch von Gestalt, mit einer Stimme, die den Raum schnitt wie ein Schwert. Ein Mann, dessen Blick schon bei der nächsten Kirche lag, noch ehe die vorige fertig war.

Er war keiner, der stillhielt. Er wollte Salzburg zur Glanzstadt machen, er wollte mit Kaisern und Päpsten ringen, als seien sie Spielgefährten – und manchmal tat er so, als ginge es nur um sein Spielbrett.

Und doch – in den stillen Stunden war er einsam. Dann suchte er kein Heer, keine Kanzlei, kein Kapitel. Dann suchte er nur ein Ohr, das nicht bebte vor Titeln.

So kam es, dass er mir zuhörte – und ich ihm. Ich war keine Gelehrte, keine Ratgeberin, aber ich wagte die eine Frage:

‚Konrad, wer hört dich, wenn du allein bist? Wer bleibt dir, wenn die Urkunden schweigen?‘

In keiner Rolle werdet ihr meinen Namen lesen. Doch ich war da – mit meinen Augen, mit meinen Worten, mit meinem Herzen.

Darum bin ich heute hier. Hemma von Laufen, Schreiberin im Schatten, Begleiterin eines Mannes, der Mauern bauen ließ, wo vorher nur Holz stand. Mauern, die noch heute sprechen – lauter als mancher Mensch.

Übersicht Hemma