Hemma 2.2.: Konrad I.

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„Höret nun von ihm, den ich meinen Herrn nannte und den die Welt Erzbischof Konrad rief.

Wenn er den Raum betrat, da war nicht zuerst Purpur und Amt, nicht Siegel und Kanzlei – da war der Mensch: hoch an Gestalt, die Stimme fest, die Augen schon beim nächsten Bau, noch ehe er geplant war.

Ein Mann des Willens. Gehen tat er schnell, denken noch schneller, reden wie ein Feldherr, der keinen Widerspruch duldet. Und doch, wenn er schwieg, dann schwieg er lang, und sein Schweigen wog schwerer als ein ganzer Tag Worte.

Ich saß neben ihm, wenn er diktierte. Die Kerze tropfte nieder, das Wachs rann wie Regen, und er sprach von Zinsen und Grenzen, von Pfarreien und Almosen. Ich schrieb – und dachte oft: Diese Tinte ist schwerer als Eisen. Denn mit ihr wurden Menschen gebunden und Wege gelenkt, noch ehe ein Stein gesetzt war.

Doch er war keiner, der nur schrieb. Er stand selbst am Bau, kniete sich nieder, prüfte die Fuge, strich den Mörtel glatt, als wollte er Brotteig kneten. Ein Bischof, der Mauern nicht nur ansah, sondern sie fühlte.

Zornig konnte er werden, donnernd wie der Himmel über dem Chiemgau. Er scheute nicht den Meister laut beim Namen zu nennen, wenn das Maß nicht hielt. Doch wenn der Sturm vorüber war, dann kam auch die Milde zurück: am Morgen schickte er Brot und Tuch zur Witwe, der er tags zuvor kaum Gehör geschenkt. Streng war er gegen den Stein, nicht gegen das Herz.

Mit Kaisern und Fürsten spielte er das Spiel, das man spielen musste. Neigte den Kopf, wenn’s die Stunde verlangte, und hob ihn wieder, wenn sein Werk gesichert war. ‚Wir bauen nicht gegen den Kaiser, Hemma, wir bauen für Gott. Doch ohne den Kaiser baut man nichts wirklich Grosses.‘ Und so schrieb er, ritt er, stritt er und brachte heim was Salzburg brauchte: Schutz und Raum zum Bauen.

Lieber als die Jagd war ihm der Bau. Zwar ritt er wohl und im Herbst zog er aus mit den Hunden; doch seine wahre Jagd war die nach Orten für Kirchen. ‚Siehst du, Hemma, dort auf der Höhe? Da hält der Wind an. Dort soll der Turm stehen.‘Und so fand er die Plätze, als würden sie selbst zu ihm sprechen.

Sein Ruhm lag nicht allein in Macht oder Streit. Sein Ruhm lag darin, dass er baute wo der Glaube Halt suchte. Hart war er, ungeduldig, oft zornig und doch ein Mann, der mehr wollte als sein eigenes Wappen: dass Mauern stehen, dass Menschen kommen, dass der Glaube Dauer finde.

Darum, wenn ihr durch diese Kirche geht, dann schaut auch auf die stillen Stellen. Wo das Licht den Putz streift, wo die Stufe ausgetreten ist, wo die Stimmen sich im Gewölbe sammeln – dort, meine ich, dort steht sein Schatten. Nicht um euch zu schrecken sondern um euch zu mahnen: dass Steine reden können, wenn einer ihnen den Willen zum Zuhören leiht.“

Alte Version

Höret nun von ihm, den ich meinen Herrn nannte und den die Welt Erzbischof Konrad rief.

Wenn er trat in den Raum, da war nicht zuerst der Purpur und das Amt, nicht das Siegel und die Kanzlei – da war der Mensch, hoch an Gestalt, die Stimme fest, die Augen unruhig, schon bei dem nächsten Bau, schon bei der nächsten Kirche, die er sah, noch ehe sie geplant war.

Er war ein Mann des Willens. Gehen tat er schnell, denken noch schneller, reden wie ein Feldherr, der keine Antwort duldet. Und doch, wenn er schwieg, dann schwieg er lang, und in der Nacht war sein Schweigen schwerer als die Worte am Tag.

Ich saß neben ihm, wenn er diktierte. Die Kerze tropfte langsam nieder, das Wachs rann wie Regen, und er sprach von Zinsen und Grenzen, von Pfarrrechten und Almosen. Ich schrieb, und oft dachte ich: diese Tinte, sie wiegt schwerer als Eisen. Denn mit ihr wurden Menschen gebunden, wurden Wege gelenkt, wurden Mauern gebaut, ohne dass ein Stein schon gesetzt war.

Doch er war keiner, der nur schrieb. Er stand selbst am Bau, er kniete sich nieder, legte die Hand auf den Grund, prüfte die Fuge, strich den Mörtel glatt, als wollte er Brot kneten. Ein Bischof, der die Mauern nicht nur ansah, sondern sie fühlte.

Zornig konnte er werden, donnernd wie der Himmel über dem Chiemgau. Er scheute nicht, den Meister laut beim Namen zu nennen, wenn ein Maß nicht hielt. Doch wenn der Sturm vorüber war, kam die Milde zurück: am Morgen ließ er den Boten mit Brot und Tuch zu einer Witwe gehen, der er am Vortag begegnet war. Streng war er gegen den Stein, nicht gegen das Herz.

Mit den Herren der Welt – Kaisern, Fürsten – spielte er das Spiel, das man spielen musste. Er neigte den Kopf, wenn es die Stunde verlangte, und hob ihn wieder, wenn er spürte, dass sein Werk gesichert war. ‚Wir bauen nicht gegen den Kaiser,‘ sagte er zu mir, ‚wir bauen für Gott. Doch ohne den Kaiser baut man nicht weit.‘ Und so schrieb er, ritt er, stritt er – und brachte heim, was Salzburg brauchte: Schutz, Ordnung, Raum zum Bauen.

Und glaubt mir: lieber als die Jagd war ihm der Bau. Zwar ritt er wohl, und im Herbst zog er aus mit den Hunden, doch was ihn wirklich jagte, das war der Ort für eine Kirche. ‚Siehst du, Hemma, dort auf der Höhe?‘ sprach er, ‚da hält der Wind an. Dort soll der Turm stehen.‘ So wählte er die Plätze, als würden sie selbst zu ihm sprechen.

Ich sage euch: sein Ruhm liegt nicht allein in der Macht, nicht allein im Streit. Sein Ruhm liegt darin, dass er baute, wo der Glaube Halt suchte. Hart war er, ungeduldig, oft zornig – und doch am Ende ein Mann, der mehr wollte als sein eigenes Wappen: dass Mauern stehen, dass Menschen kommen, dass der Glaube Dauer findet.

Darum, wenn ihr hier durch diese Kirche geht, schaut auf die stillen Stellen. Wo das Licht den Putz streift, wo die Stufe ausgetreten ist, wo die Stimmen im Gewölbe sammeln – da, meine ich, steht sein Schatten. Nicht um euch zu erschrecken, sondern um euch zu erinnern: dass Steine sprechen können, wenn einer ihnen den Willen dazu leiht.

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