Vatanen: 2 – Stein und Buckel

Salzburg, irgendwann um 1130. Ich stelle vor: draußen Regen auf Pflaster, drinnen Kerzen tropfen Wachs. Weihrauch in Luft, nicht Mistduft. Stein atmet kühl, kein Rauch im Dach.

Erzbischof Konrad sitzt. Mantel schwer, Wolle dunkel, Pelz am Rand. Ring blinkt. Kopf kurzgeschoren, Tonsur scharf. Augen hell, ruhig, wie Eis. Redet nicht viel. Muss er nicht. Sein Bruder hält Burg Abenberg, Ritter, Herr über Männer mit Schwert. Konrad nur zweiter Sohn, bekam Kirche. Aber Glück für ihn. Papst schwach, Kaiser fern. Bischöfe stark. Salzburg stärker. Salz wiegt viel Gewicht. Gottschalk tritt vor. Ist Propst von Baumburg. Mantel schlicht, Stoff grob, nicht fein, naa. Buckel leicht, Rücken krumm vom vielen Bücken. Hände dünn, Schriftrolle zittert. Augen unten. Ich seh ihn: Diener, nicht Herr. Aber einer, der Land kennt, Bauern kennt, Höfe zählt. Ohne ihn wüsste Konrad von Vachendorf nix.

„Vachendorf,“ sagt Gottschalk. Stimme leise. „Klein, doch Kreuzung. Nord–Süd, Ost–West. Holzkirche eng. Leute viele.“
Konrad hebt Braue, nichts weiter. „Wie viele Höfe?“
„Fünf nah. Zehn, mehr im Umkreis. Pfarrei zieht bis Bergen, Ruhpolding, Siegsdorf.“ Fünf, zehn, zwanzig. Zahlen rollen wie Steine über Tisch. Ich denk: in Finnland hätten wir nicht gezählt. Dach hält, reicht. Wenn fault, neu. Ende.

Konrad legt Hand auf Tisch. Breit. Fest. Ring spiegelt Kerze. Propst beugt tiefer, Rücken fast bricht. Ein Buckel sagt mehr als jedes Amen.

„Warum dort?“ fragt Konrad. Stimme wie Beil.
„Wege kreuzen,“ flüstert Gottschalk. „Land gut. Leute treu. Und Spender gibt Hof, Brot, Stein.“

Das klingt nüchtern. Doch reicht. Komisch, denk ich, in Vachendorf tropft Regen durchs Dach. Hier tropft Kerze auf Pergament. Unterschied riecht man sofort.

Konrad schweigt lang. Augen schmal, Kopf still. Dann ein Nicken. Nur das. „Steinbau,“ sagt er. „Basilika. Drei Schiffe, sieben Joche. Salzburg sichtbar im Land.“ Ein Satz, fertig. Aber Entscheidung schwer wie Berg. Kerze spuckt, Wachs fällt. Gottschalk beugt tiefer. Hände halten Schriftrolle, als wär sie Schild. Atem kurz, Brust eng. Vielleicht Stolz. Vielleicht Last. Wahrscheinlich beides.

Ich seh’s: ein Nicken hier wiegt mehr als hundert Rücken dort. Und vielleicht war genau das Moment, wo Gottschalks Laufbahn entscheidet. Sechs Jahre später Archidiakon. Nicht Zufall das. Selten Zufall Geschichte ist. Wer Stein durchsetzt, kriegt halt Rang. Draußen jetzt Regen leiser, Pflaster glänzt. Drinnen Licht flackert, Luft riecht nach Wachs und Macht. Im Dorf keiner ahnt was von Erzbischof. Sitzen noch in Rauch, reden über Ochsen, lachen über Pfarrer. Aber Bau schon beschlossen.

Notiz:
Zwei Räume, zwei Luftarten. In Salzburg tropft Kerze, in Vachendorf Regen. Doch beide bauen an gleiche Kirche. Seltsam.