Vatanen: 3 – Zug der Maurer

Sitze heute am Küchentisch. Regen am Fenster, leises Ticken. Auf dem Tisch Karte, zwei Notizen, kalter Kaffee. Denke: Entscheidungen fallen weit weg. Aber Bau entsteht da, wo Hände sind. In Finnland sagt man: Weg lernt man zu Fuß. Nicht im Kopf. Also geh ich rein in Geschichte. In damals.

Basilika fast fertig. Gerüst knarrt, Kalk riecht, Steine feucht. Dorf steht jeden Tag am Rand. Erst staunen, dann Alltag. Kinder rennen barfuß durch Staub. Frauen tragen Wasser. Männer fluchen über Ochsen, nicken aber doch. Abends Feuer vor der Mauer. Kleines Licht im Wind. Maurer sitzen eng. Brot hart, Bier dünn. Meißel liegen da wie stumpfe Fische, aber sie beißen morgen wieder. Haut rau, Rücken krumm. Hände wissen Maß. Lot wie zweite Natur. Da junger Bursche kommt. Sechzehn, vielleicht siebzehn. Kalk in Haaren, Finger wund. Steht gerade.

„Ich will mit“, sagt Bursche.
Meister hebt Blick. „Wohin?“
„Mit euch. Weiter. Bauen.“
Einer von Knechte lacht, spuckt ins Feuer. „Zu jung.“
Junge schweigt. Steht. Meister wiegt ihn mit Augen. Nickt. „Hat Rücken. Hat Augen. Lernt schnell. Nimm Hammer, nicht Kübel.“

So einfach. Kein Wachs, kein Pergament. Nur Nicken.

Morgen früh. Wagen rollt. Regen wie Fäden. Bernhaupten zuerst. Apsis rundet sich. Dann Einharting. Schnur im Schlamm. Maß bleibt gerade, obwohl Welt kippt. Vogling, St. Johannes. Kalk löscht scharf, beißt in Haut. Siegsdorf. Meißel singt im Stein. Finger blutig, Griff sicher.

Wissen wandert so. Von Meister zu Junge. Von Dorf zu Dorf. Wie Brot von Laib zu Scheibe. Schlicht, aber nährend. Ich mag das. Das Unaufgeregte. Schönheit, die nicht schreit. Apsis im Abendlicht. Plumbline still im Wind. Geruch von nassem Stein, der nach Meer tut, obwohl kein Meer da ist.

Und im Hintergrund bleibt Salzburg. Kerze tropft, Ring glänzt. Hier tropft Regen von der Traufe. Beide Tropfen treiben dasselbe Werk. In Finnland hätten wir Holz genommen, neu, wenn’s fault. Auch schön. Warm. Hier bleibt Stein. Kalt erst, dann freundlich, wenn er Klang fasst. Glocke probt, Mauer trägt den Ton.

Der Junge geht weiter. Schultern schmal, Schritt fester. Kommt eines Tages zurück, vielleicht. Sieht die Basilika, legt Hand an Stein, sagt wenig. Weiß jetzt, wie Wand spricht. Gibt’s weiter an einen anderen Jungen, der fragt.

Ich sitze wieder am Tisch. Regen ist dünner. Kaffee kalt, aber gut genug. Denke: Romanik war nicht nur Macht. War auch Geduld. Und Augenmaß. Schönheit, die aus Last wächst. Wie Brot aus Mehl und Wasser.

Notiz: Stein bleibt. Wissen auch. Man trägt beides, bis es trägt.